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Balanceakt am Rande des Wahnsinns: Breitfuß und Weilacher

     Das Programm „Meschugge wie immer“ umfasst „vorletzte Lieder“ des gebürtigen Wieners Georg Kreisler. Bitterkeit ist dabei eine Grundstimmung, die nicht mit grober Kelle verteilt wird, jedoch zuverlässig der Schönheit den Glanz nimmt. Aber Kreisler, 1922 geboren, ist kein Zyniker, sondern vielleicht zu sehr Realist. Dennoch heißt es fast hoffnungsvoll: „Liebe ist vielleicht vergebens, aber doch der Sinn des Lebens.“ Und so sind die Lieder immer wieder durchaus zum Lachen, nur muss das bisweilen durch einen etwas engen Hals.       
   Gottfried Breitfuß erweist sich als vielleicht perfekter Verkörperer Kreislerscher Texte. Sein Charme wirkt morbide und verzweifelt, seine Ausbrüche fahren ins Mark, und wenn er auf dem Sofa liegend mit geschlossenen Augen singt, scheint seine Müdigkeit lebensbedrohend. Die Widersprüche der menschlichen Psyche setzt Gottfried Breitfuß virtuos um, sein Flüstern wird Fauchen, sein Schmeicheln droht, Liebesschwüre riechen nach Verderben. Und seine Darstellung des Kaputten ist so gnadenlos hart und konsequent, dass erst der Applaus Ende und Erlösung bringen konnte.
   Die ungeheure Präsenz des Schauspielers täuscht beinahe darüber hinweg, dass es Pianist Peter Weilacher ist, der mit stoischer Ruhe und sehr dynamischem Spiel auf dem Bösendorfer den Sprecher und Sänger Breitfuß beinahe wie eine Marionette zu führen scheint, ihn am Rande des Wahnsinns balancieren lässt, um ihn behutsam wieder zur weichen Sicherheit des Sofas zu führen. Ein grandioses Schauspiel auf beiden Seiten.




   Ein Mann, ein Klavier und ein Mann fürs Klavier. Mehr braucht's nicht zum Kabarett. Ein rotes Sofa, eine Banane, ein leerer Notenständer - das war's im Wesentlichen, jedenfalls was die Requisiten auf der Bühne des Freiburger Theaters im Marienbad betrifft. Der Rest war hohe Schauspielkunst, ausgefeilte Mimik, ein wenig Wiener Schmäh, eine kabarettgeeignete Stimme und - was den Mann am Klavier betrifft - eine Liedbegleitung, die, wie der Fels in der Brandung, stoisch, dezent und mit absoluter Zuverlässigkeit ihren Dienst im Hintergrund verrichtete.
   Kreislers Lieder pflegen die Kunst der leisen, der sarkastischen, manchmal auch fiesen, sich hinterrücks einschmuggelnden Zwischentöne. Sie können so harmlos beginnen ("Mach's dir bequem, Lotte"), um schließlich in der Katastrophe zu enden, oder sie nehmen eine plötzliche Wendung ins Surreale, finden ach so amüsante Bilder für so deprimierende Themen wie die sich selbst überlebende Liebe oder fassen nach einer langen, dösigen Litanei elementarer Aussagen wie "I schlof wos, I traam wos, I ess wos, I scheiß wos" den Stumpfsinn des Lebens in dem einzigen Satz zusammen: "Wenn man immer alles sagen täte, was man sich so denkt ..."
   Und all jene grotesken, fiesen oder sich hinterrücks einstellenden Nuancen fanden ihren Platz in Breitfuß' eindrücklichem Mienenspiel. Allein das: Wie Breitfuß langsam, mit eindringlichen Blicken in die erste Reihe, seine Banane schält, wie er später das Publikum mit eben jenen Blicken traktiert und ihm näher kommt, so dass ich weiß Gott heilfroh bin, nicht ganz vorne zu sitzen, da rieselt sicherlich so mancher Schauer über mehr als nur einen Rücken.                   


 
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